Sebastian Zimmermann erblickte 1985 in Berlin das Licht der Welt, in der Stadt, die bis heute seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt darstellt. Heute kombiniert der „3D Digital Figurative Artist“, freie figürliche Künstler und Bildhauer das Wissen und die Techniken der analogen und digitalen Welt, um seine Vorstellung umzusetzen und zeitlose Werke zu schaffen. Besonderer Fokus liegt auf der menschlichen Form, diese wird zum Kommunikationsmedium zwischen dem Künstler und dem Betrachter. Das auf der Berliner Fahrradschau gezeigte Werk widmet Zimmermann dem „Hour“-Fahrer, also einem Zeitfahrer auf der Jagd nach dem Stundenrekord: seiner Stunde. Das lebensgroße Modell transportiert den inneren Dialog von Körper und Geist und das Körpergefühl beim Erbringen von Höchstleistungen – und das ganz ohne Fahrrad. Wir sind gespannt.
In den konservativen Kunstbetrieb willst du dich nicht unterordnen und mit deiner professionellen Arbeit in der „neuen Welt“ als Digital Figurative Artist – mit einem Beruf den die meisten Menschen wahrscheinlich nicht mal kennen, schaffst du dir Möglichkeit dich frei in jedem Medium deiner Wahl kreativ zu entfalten. Jetzt bist du gleichzeitig analog und digital tätig. Wie kam es dazu? Was steckt dahinter?
Schon recht früh zeichnete sich mein kreativ veranlagter Charakter ab. Noch dazu hatte ich schon immer großes Interesse an der menschlichen Figur. Nach der zeichnerischen Annäherung an diese gelang dann auch der professionelle Einstieg in die Entertainment-Branche – als 3D Digital Figurative Artist. Daneben wuchs zunehmend meine Sehnsucht mit haptischen Materialen zu arbeiten.
Seit der Aufnahme meiner unabhängig selbständigen Arbeit geht es mir um Selbstreflexion, Eigenwahrnehmung, bewusste und unbewusste Motive und wie diese miteinander interagieren. Die figurative Arbeit soll den Betrachter mit sich selbst konfrontieren. Mein Werk soll reflektieren, meine Leidenschaft soll inspirieren.
Historisch sind in der Bildhauerei eher die Leichtathletik-Disziplinen vertreten – dafür haben Griechen und Römer ja nachhaltig gesorgt. Was kann der Radfahrer, was der Diskuswerfer nicht kann?
Ich denke nicht, dass meine Arbeit mit der klassischen Darstellung von Sportdisziplinen der Griechen und Römer viel gemeinsam hat. Auch wenn die künstlerische Entwicklung der Skulptur ihren Ursprung etwa 440 v Chr. bei den Griechen hatte, als Polykeitos den Doryphoros schuf und die Begriffe Bildhauerei und Skulptur bei vielen Menschen diese assoziieren lassen, hat sich die Skulptur und Bildhauerei seitdem doch sehr weiterentwickelt – auch wenn sie sich noch scheinbar konservativer Techniken und Materialien bedient.
Ich habe nie den Diskus geworfen, doch der Radsport bzw. das Fahrrad fahren, geht über das Messen von Kraft hinaus. Körper und Geist stehen in ständigem Dialog und fordern sich gegenseitig, während wir mit den Elementen kämpfen und gleichzeitig die Natur erfahren und genießen. Der Radsport hat heute sehr viele Facetten, so finden sich in verschiedenen Bereichen unterschiedliche Kriterien, Erfahrungen und soziales Miteinander wieder.
Auf der Berliner Fahrradschau wirst du eine lebensgroße Skulptur eines Zeitfahrers präsentieren. Bist du selbst schon gegen die Uhr gefahren oder wie nähert man sich so etwas?
Ich bin leidenschaftlicher Rennrad- und Fixed-Gear-Fahrer. Ich habe zwar bisher nicht allzu viel Rennerfahrung kenne aber trotzdem den inneren Dialog, den man führt. Sicher ist dieser nochmals anders bei einem 60-Minuten-Rekord oder generell im professionellen Zeitfahren. Am Ende findet er dort halt auf einem höheren athletischen Niveau statt.
Ich möchte, dass Rennradfahrer die Skulptur ansehen und sich ihr Herzschlag erhöht, weil sich eigene Erfahrungen spiegeln: Weil sie daran denken, wie sie nach 300 Kilometern, zehn Stunden, sechs davon im Regen und ständigem Gegenwind mit einem Lächeln durch die Nacht pedalieren. Beine, Knie und Hüfte sind bereits verstummt, aber in der Brust brennt ein Feuer, diese Lust, die uns antreibt, uns gegen diese Mauer zu werfen. Das Fahrrad nehmen wir nicht mehr wahr, unser Körpergefühl verschmilzt mit unseren Gedanken, und wir lösen uns auf und werden eins mit den Elementen um uns.
Für mich ein Gefühl das ich auf der Langdistanz habe, aber genauso auf dem Fixie in der Stadt habe, wenn ich durch den Verkehr fliege – am liebsten ohne Schalten, ohne Bremsen, auf den Tribars. Es geht nicht um die Zeit, die wir erreichen sondern um die Zeit, die wir damit verbringen – bei eben diesen Gefühlen.