Interview mit Fares Gabriel Hadid, Geschäftsführer der Berliner Fahrradschau und Berlin Bicycle Week über das innovative Messe-Konzept, Urban Cycling und warum B-2-C das neue B-2-B ist.
Die Berliner Fahrradschau (BFS) und die im Oktober erstmals veranstaltete Wiener Fahrradschau, sind die größten Fahrrad-Lifestyle-Messen der internationalen Szene. Und auch der Mann hinter den Messen ist einer von Welt: Fares Gabriel Hadid. Der studierte Jurist machte als Jugendlicher Rockmusik, war später mit seiner Musikberatungsfirma international gefragt und hat dann als Fashionfachmann unter anderem die Berliner Urbanwear-Messe Bread & Butter mit aufgebaut. Alles mit Herzblut, alles mit Erfolg – und doch gibt es für Fares eine einzige Passion, die über allem steht: das Fahrradfahren.
Unter seiner Leitung wurde die BFS zu dem, was sie heute ist. Sein Credo ist sein Hashtag #cyclingunites. „Zum Fahrrad kann doch jeder eine persönliche Geschichte erzählen“, sagt Fares. Und seine eigene? Er überlegt. Angefangen habe alles mit dem Kinderfahrrad von Rixe, einem Geschenk seines Patenonkels. Es folgten Rennen im Bayernkader. Bis heute ist Fares begeisterter Rennradfahrer und Fahrradliebhaber.
Fragen an den Mann, der eine Messe zum alljährlichen Festival eines Lebensgefühls gemacht hat:
1. Fares, was macht Eure Events so besonders?
Die Menschen, die zu uns kommen. Vom Investmentbanker bis zum Fahrradkurier treffen sich auf der Fahrradschau alle. Das schafft eine unglaublich entspannte Atmosphäre. Die Fahrradschau fühlt sich seit Jahren wie ein Familientreffen an. Und so soll es auch sein. Bei uns treffen sich wirklich alle, die für’s Radfahren brennen. Da ist der Mountainbiker genauso vertreten, wie die Fixie-Fraktion, der Lastenrad-Fahrer oder der ambitionierte Rennradler. Wir kommen alle auf einen gemeinsamen Nenner: dem Fahrspaß. Deswegen auch #cyclingunites.
Darüber hinaus haben wir bei allem, was wir tun einen sehr hohen Qualitätsanspruch. Von den ausstellenden Brands über die sorgfältig kuratierten Produkte bis hin zum Essen, das es auf den Messen gibt. Ich glaube, das merkt man einfach – unsere Liebe zum Detail macht unsere Veranstaltungen sehr persönlich und einzigartig.
Wichtig ist uns außerdem, dass wir beim Standbau alle gleich behandeln. Große und kleinere Brands erhalten den gleichen Platz. So haben alle die Möglichkeit, sich optimal darzustellen. Diesen Wettkampf um den größten und krassesten Standbau gibt’s bei uns erst gar nicht. Deshalb haben wir uns in Berlin zuletzt dagegen entschieden, stark zu expandieren. Die good Vibes zu erhalten, hat für uns oberste Priorität – und diese auch nach Wien und in andere Städte zu bringen, gehört zu den großen Zielen der Zukunft.
2. Sollte man dann besser von Show oder von Messe sprechen?
Die Berlin Bicycle Week ist eine Woche voller Erlebnisse & Events. Aber bei der Fahrradschau sprechen wir definitiv von Messe! Allerdings wohl von einer Weiterentwicklung dessen, was man wohl allgemein unter Fahrrad-Messe versteht oder kennt. Die Fahrradschau ist eine moderne Interpretation von Messe und sowohl auf die Bedürfnisse der Endverbraucher ausgerichtet, als auch auf die wachsende Herausforderungen vor die sich Hersteller und Marken gestellt sehen.
3. Das müsstest Du jetzt bitte näher erklären…
Naja, hier spielen zwei Faktoren zusammen. Erstens ist der Käufer von heute verdammt anspruchsvoll und wählerisch. Er möchte sich nicht nur kompakt informieren, die beste Qualität kaufen und sich gut beraten wissen, sondern auch noch unterhalten werden. Gerade im hochwertigen Segment in dem die Qualitäts-Unterschiede marginal sind müssen Hersteller zukünftig also anders überzeugen. Der Kunde möchte das Produkt, welches er kaufen will in einem authentischen Kontext erleben und sich damit identifizieren können. Dazu braucht es aber mehr, als ein Bike auf einem Ständer und ein paar technische Spezifikationen. Um die Bedürfnisse der Endverbraucher zu befriedigen und sie emotional an eine Marke zu binden, sind Geschichten zu einer Marke notwendig, die ein Konsument aktiv erleben kann.
Gerade Hersteller mit klassischen Vertriebswegen schaffen diesen Spagat oft noch nicht. Außer in speziellen Concept Stores ist für die Botschaften im regulären Handel kaum oder gar kein Platz. Über die Medien können diese Erlebnisse auch nur bedingt transportiert werden. Wo also treffen sich Marke und Kunde auf Augenhöhe? Also haben wir mit der Fahrradschau eine Messe geschaffen, die es den Herstellern möglich macht ihre Marken zu emotionalisieren und über diese Emotionen in direkten Kontakt mit potentiellen Kunden zu treten. Damit nehmen wir auch ein Stück weit Last von den Schultern der Händler. Und wenn diese Geschichten erst noch geschrieben werden müssen, helfen wir den Herstellern aktiv dabei.
Für mich stand von Anfang an fest, dass unsere Messe keine Business-to-Business-Veranstaltung wird – sondern eine Business-to-Consumer-Messe. Wir wollen nah an den Menschen sein. Nah an den jeweiligen Strömungen und Disziplinen wie zum Beispiel Mountainbike, BMX oder der Bikepunkszene. Vor allem wollen wir aber die Allgemeinheit abholen: Leute, die Cargobike fahren statt Auto und das Fahrrad als Lifestyle aber auch als funktionelles Fortbewegungsmittel sehen.
4. Also eine reine B2C Messe?
Nein, ganz und gar nicht. B2C ist das neue B2B! Während sich Konsument und Hersteller auf der Messe austauschen, schaffen wir im Rahmen der Veranstaltung eine Plattform für die Hersteller und Händler aus den verschiedenen Städten. Allerdings verschmilzt die von außen betrachtet mit dem B2C Bereich. Hinter den Kulissen werden aber Kontakte geknüpft, Synergien ausgelotet und neue potente Partner zusammengebracht. Die Zeiten des entweder B2B oder B2C sind für uns schon lange vorbei.
5. Nach Deiner Wahlheimat Berlin ging es mit der Messe nach Wien. Warum diese beiden Städte?
Berlin ist mittlerweile eine Weltmetropole und immer in Bewegung. Für mich ist es die spannendste Stadt Europas – gerade wegen der vielen verschiedenen Einflüsse aus der ganzen Welt, die in die Stadt kommen und dort zu etwas neuem verschmelzen. Berlin ist wie eine große Leinwand, auf der permanent neue Bilder entstehen und jeder malen darf.
Wien ist da in mancher Hinsicht sehr ähnlich, wenn auch traditioneller. Die Stadt ist seit Jahrhunderten ein Schmelztiegel verschiedenster Kulturen und unterliegt allein geografisch komplett anderen Einflüssen als Berlin. Die Begegnung aus reicher Tradition, die auch immer noch sehr hoch gehalten wird und Moderne schafft eine ganz spannende, inspirierende Atmosphäre. Abgesehen davon ist Wien genau wie Berlin eine absolute Radl-Stadt mit aktiver Szene und hat weltweit angeblich die zweithöchste Lebensqualität.
6. Inwieweit bezieht Ihr die beiden Städte in die Messen mit ein?
Wir setzen alles daran, bei beiden Standorten das jeweilige urbane Lebensgefühl ins Programm zu integrieren. Jeder Event soll einen lokalen Bezug haben. In Berlin gibt uns die BERLIN BICYCLE WEEK dazu besonders viele Möglichkeiten. Wir organisieren Yoga-Events, Vernissagen und Radrennen quer durch die City. In Wien befassen wir uns zum Beispiel mit der Kaffeehaus-Kultur, integrieren das Radkult Festival – und planen auch dort das Angebot auszuweiten und lokale Shops und Communities zu integrieren.
7. Schöpfst Du beim Entwickeln solcher Ideen auch aus Deiner vielfältigen Erfahrung in der Musik- und Modebranche?
(lacht) Da sage ich jetzt einfach mal ganz selbstbewusst: Ja. Fast zehn Jahre lang habe ich bei der Bread & Butter gearbeitet, ich habe die Messe mit aufgebaut und der damals ganz neuen, so genannten Urban Wear eine Plattform gegeben. Und ich sehe da extreme Parallelen zum – ich sag’ mal: Urban Cycling.
8. Was genau bedeutet denn Urban Cycling für Dich?
Wenn ich von Urban Cycling spreche, haben viele Leute sofort lange Bärte, Latte Macchiato und Singlespeeds im Kopf. Das ist sicher ein wichtiger Teil der urbanen Fahrradkultur, aber eben ein kleiner. Es bedeutet mehr, als das Fahren eines klassischen Stadtrads oder beispielsweise eines Fixies. Auch eine Performance-Marke kann urban sein. Die meisten Menschen wohnen in Ballungsräumen und fast jeder fährt Fahrrad. Städte mit ihren vielen Besonderheiten wie beispielsweise spezifischer Architektur, Kunst, Kultur, Infrastruktur oder geografische Lage haben einen starken Einfluss auf die Räder und das Radfahren. Genauso wie ein Rad also urban inspiriertes Designobjekt sein kann, kann es auch urban bedingtes Transportmittel sein. Nicht umsonst werden Pakete und Essen in Städten mit Fahrrädern ausgeliefert. Es wird Zeit sich vom Verständnis des Fahrrads als bloßes Fortbewegungsmittel oder Sportgerät zu lösen. Urban Cycling ist also ein Perspektivwechsel.
9. Was sind die aktuell wichtigsten Trends in der Branche?
Ganz klar: E-Bikes, Cargo Bikes, Bikewear, die funktional aber auch stylish ist – und spannende Apps.
Berliner Fahrradschau
03. – 05. März 2017
Station Berlin, Luckenwalder Strasse 4–6, 10963 Berlin
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